Willkommen ...
Aufgehorcht ...
Gartenwölfe
Pflegewölfe
Andere Felle
Join up! und Infos
Tierisch gut
Hunde sterben nie
Schwarz auf Weiss
Anders-Artig
Italiens Maremmanen
Tierschutztraum(ata)
Not in Griechenland
Hauptsache gerettet?
Impressum
Refugium-Fan-Forum

 Wenn Tierschutzträume traumatisch werden

 

Nein, ich weiß auch nicht was Tierschutzhunde davon halten, wenn wir ihnen plötzlich eine Schlaufe um den Hals legen, sie ihren Leidensgenossen in diesem stinkenden, verdreckten Auslauf entreißen oder sie aus der Einzelhaft eines kalten blickdichten Betonzwingers befreien. Was mag in ihnen vorgehen, wenn wir sie in eine Transportbox stecken und der ohrenbetäubende aber gewohnte Lärm hunderter bellender Hunde langsam für sie verstummt? Sie haben sicher Angst und sind umgeben von der Panik ihrer Artgenossen. Während die jungen Hunde die „Action“ manchmal fast zu genießen scheinen, schließen die alten und kranken Tiere gerade endgültig innerlich mit ihrem Leben ab. 

Einzelhaltung im Betonzwinger.     Verwahrlosung "par excellence"

Es gibt vielfältige Reaktionsmöglichkeiten auf so eine Deportation. Wenn die Boxentüren sich öffnen, springen die Optimisten sofort heraus, fallen ihrem Menschen geradezu um den Hals und starten fast vorbehaltlos in ein neues Leben. Für die weniger lustigen Gemüter ist in den letzten Stunden bereits mehrfach die Welt untergegangen, sie sind starr vor Schreck, drängen in die letzte Ecke der Transportbox und zeigen ihrem Retter ganz klar: DU BIST SCHULD UND ICH BIN NICHT DANKBAR! Eine sanfte alte Colliehündin, die über Jahre hinweg in einem dunklen Verschlag gesessen hatte, schaute in den ersten Wochen nach ihrer „Rettung“ jeden Morgen ganz hoffnungsvoll um die Hausecke nur um festzustellen, dass der Hundetransporter wieder nicht zurückgekommen war um sie abzuholen. Ein wunderschöner Akitamischling mit vergleichbarem Schicksal drückte sich in der ersten Zeit bei jedem noch so sanften Zug auf Geschirr oder Halsband derart flach an den Boden, dass wir manchmal fürchteten, er würde aufhören zu atmen. Wie oft bin ich schon den Weg durch den Garten gegangen bis in die hinterletzte Ecke und habe ein ängstliches Bündel Fell unter dem Kirschlorbeer herausgezogen um es mit auf den gemeinsamen Spaziergang zu nehmen. Unzählige Male habe ich erfolglos den „Gute-Nacht-Keks“ angeboten bis endlich nach Stunden, Tagen oder Wochen das Eis gebrochen war und der Hund sich zutraute das Futter auch aus der Hand zu nehmen. Viele Nächte habe ich auf der Couch geschlafen, mit einem ruhelosen und verwirrten stinkenden Fellbündel im Arm, habe durch meine Nähe beruhigt und irgendwie versucht zu übermitteln, dass "alles gut werden wird". 

Das ist nah genug! 

Angst, Misstrauen und Zurückweisung sind natürlich NICHT das, was der großartige Retter des Tierschutzfells sich als Belohnung für seine selbstlose Heldentat gewünscht hat. Da hat „Mensch“ schon etwas mehr Dankbarkeit erwartet von der „süßen Fellnase“, die doch auf den Fotos so lieb und zugänglich aussah. Auch aus dem umfassend formulierten Zweizeiler mit der Hundebeschreibung hat man etwas ganz anderes für die gemeinsame Zukunft herausinterpretiert. Während die Pessimisten den frisch importierten Hund bereits beim zuständigen Verein reklamiert, ausgesetzt oder ins Tierheim gebracht haben, warten die Optimisten weiterhin geduldig mit Leine und Leckerli in der Hand auf den Tag, an dem endlich der Sinneswandel bei ihrem Liebling einsetzt. „Der wird schon kommen, wenn er erst einmal Vertrauen gefasst hat.“ Richtig? Wer jetzt darauf baut, dass ihm ein kompetenter Hundetrainer aus der Patsche helfen kann – weit gefehlt. Im schlimmsten Fall gibt’s für Fiffi zunächst kein Futter mehr, das ist aber nicht schlimm denn als ehemaliger Straßenhund ist er es ja gewohnt mit wenig Nahrung zurechtzukommen. Nun hat er die einmalige Gelegenheit im Schnelllernprogramm für schüchterne Tierschutzhunde den lebensrettenden „Futterbeutel“ zu akzeptieren: Das ist ein menschlicher Zweibeiner mit einer länglichen Reißverschlusstasche und einem Knackfrosch in der Hand. Derartige Repressalien schaffen bestenfalls eine „Abhängigkeit“ der hilflos ausgelieferten Kreatur, sicher keine „Bindung“ an den Menschen. Andererseits führen auch die 50 Meter lange Schleppleine und der Schlafplatz im Flur („Falls doch mal was daneben geht ist hier wenigstens gefliest.“) sicher ebenfalls nicht dazu, dass rasch eine Gewöhnung an menschliche Nähe eintritt. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte und das verlässlichste Entscheidungszentrum des Menschen somit eigentlich in der Magengegend. Es geht um das „Bauchgefühl“ anhand dessen eine Menge richtiger Entscheidungen getroffen werden könnten wenn nicht ständig ein Experte von der Seite reinquatschen würde. Wir haben schon Hundeanfänger mit Tierschutzhunden erlebt, deren frisch adoptierte Vierbeiner nach 24 Stunden mehr Bindung und Vertrauen ins neu gewonnene Rudel hatten als Vergleichskandidaten, die von Hundetrainern oder –therapeuten übernommen wurden. 

Die Sozialisierung und Vermittlung von Tierschutzhunden kann eine wunderbare Sache sein, wenn sie liebevoll, engagiert und vor allem fachkompetent durchgeführt wird. Ansonsten wird es eine enttäuschende und bisweilen sogar traumatische Erfahrung für alle Seiten werden. Vor diesem Hintergrund ist ernsthaft zu hinterfragen, wer eigentlich vor wem und was gerettet werden muss. Wir möchten uns ausdrücklich dafür aussprechen, dass die vermittlungsverantwortlichen Ansprechpartner und Vereine sich entsprechend fortbilden um ihr „Handwerk“ von Fall zu Fall noch besser zu beherrschen. Nur so hat der grenzübergreifende und natürlich auch der Inlandstierschutz eine Zukunft. Mit reiner Tierliebe und Engagement ist es sicher nicht getan.

Julia Sieverding, November 2013

 

Sie lacht wieder!